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Interview

Kauf­psy­cho­lo­gie im E-Com­mer­ce in der Tex­til­re­vue

Interview

Textilrevue: Wie macht man seinen Onlinestore so attraktiv wie möglich für seine Zielgruppe?

Patrick Petzold: Wir müssen in erster Linie die Bedürfnisse unserer Zielgruppe genau kennen. Angefangen mit der Frage, ob wir uns in einem B2B- oder einem B2C-Umfeld bewegen, über den Einsatzort, das meist genutzte Gerät und vieles mehr. Diese Informationen beeinflussen massgeblich die Angebotspräsentation, die Informationsdichte, die Navigation und natürlich auch das Suchverhalten. Nehmen wir das Beispiel eines Unternehmens, das textile Stoffe an die weiterverarbeitende Industrie im Bereich Outdoorsports verkauft. Die Kunden dieses Unternehmens haben das Bedürfnis nach sehr technischen Informationen. Heisst, sie wünschen sich mehr Angaben über Belastbarkeit der Stoffe, Gewicht, Wasserhaushalt uvm.

Stellen wir uns hingegen vor, das Unternehmen würde Stickereien an weiterverarbeitende Betriebe verkaufen. Dort geht es nicht primär darum, ob der Stoff auch bei -20 Grad noch warm wird, sondern wie sich die Patterns bei verschiedenem Lichteinfall verhalten. Kurz: Der Kunde steht im Mittelpunkt. Also nichts anderes als in einem Verkauf direkt zwischen zwei Personen. Es geht um den Austausch von Informationen. In unserer Branche sind das Daten. Je mehr hochwertige Daten wir haben, desto besser können wir auf den Kunden eingehen.

Was sind wichtige Touchpoints, bei denen man ­keine Fehler machen darf?

Fehler ist ein gutes Stichwort. Wir sollen Fehler machen, denn aus ihnen lernen wir. Wir müssen eine Kultur aufbauen, in der Fehler erlaubt sind und schnell korrigiert werden können. Wir wählen eine Technologie und ein ­Setup, das es uns erlaubt, schnell auf gewonnene Erkenntnisse zu reagieren. Releasezyklen von mehreren Wochen sind heute nicht mehr tragbar, Hyperagilität ist das Ziel eines jeden zukunftsgerichteten Software Setups. Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem täglich die Welt neu erfunden wird. Automatisierte Testings als Beispiel sind in einem solchen Umfeld eine sehr gute Investition. 

Täglich kommen neue Touchpoints dazu, die der Kunde durchläuft. Den klassischen Marketing Funnel kennen wir nicht mehr. Vielmehr springen die Kunden zwischen Touchpoints hin und her, wechseln die Kanäle und neue kommen hinzu. Wir leben in einem hochdynamischen Umfeld. Aber auch hier gelten noch ein paar vertraute Regeln. Es gilt, keine Kunden zu verlieren. Dies schaffen wir, indem wir für diese über den Kauf hinaus Wert generieren. An dieser Stelle können sich Unternehmen von ihren Mitbewerbern unterscheiden. Dabei spielen Daten eine zentrale Rolle. Diese entscheiden schliesslich darüber, ob wir zur richtigen Zeit das ­Richtige tun. 

Stichwort User Experience: Worauf kommt es an?

Durchgängigkeit, Tempo und Orchestrierung. Ein Erlebnis ist nur dann ein Erfolg, wenn es von A-Z auf hohem Niveau ist. Denken Sie an Ihre Ferien. Es reicht nicht, wenn das Zimmer wunderschön ist, der Empfang jedoch unterirdisch, alle Angebote ausgebucht sind und Sie überall warten müssen. Dabei ist die Orchestrierung der Touch­points die Königsdisziplin. Diese kann mit der ­Dramaturgie eines Kinofilms verglichen werden ­– zu Beginn Spannung erzeugen und mit dem Grande Finale abschliessen. Dann bleiben Sie den Kunden als Anbieter in bester Erinnerung und diese werden zu ­Wiederholungstätern.

Wie können online Emotionen transportiert werden?

Wenn Sie als Unternehmen Hochzeitskleider, Urlaubsreisen oder Schokolade anbieten, lassen sich Emotionen einfacher kreieren, als wenn Sie mechanische Zahnräder verkaufen. Aber kommen wir zurück auf unsere Zielkunden. Wir gehen davon aus, dass wir es in den meisten Fällen mit Menschen zu tun haben, die stark mit ihren Produkten verwachsen sind. Deshalb legen wir bei der Entwicklung von Konzepten grossen Wert darauf, den Personen und Produkten mit Respekt zu begegnen und ihnen die nötige Wertschätzung entgegenzubringen. So entstehen daraus emotional ansprechende Resultate. 

Ein gutes Beispiel für respektvollen Umgang mit Menschen und Produkten ist das Unternehmen Blacksocks, für das wir die E-Commerce-Plattform entwickeln durften. Dabei ist es uns gelungen, das vermeintlich unscheinbare Produkt, schwarze Socken, als Stars zu inszenieren.

Wo hat der E-Commerce das Nachsehen gegenüber dem stationären Handel in Bezug auf Kaufpsychologie? Wie kann er kompensieren? Wo hat er Vorteile?

Online können nicht alle Sinnesorgane angesprochen werden. Zum Beispiel Haptik und Geruch können online noch nicht transportiert werden. Somit müssen wir diese Sinnesorgane über visuelle Reize assoziativ stimulieren. Von Verpackungen kennen wir dieses Prinzip. Sehen wir die Abbildung eines Pfefferminzblatts, assoziieren wir dessen Geschmack respektive das erinnerte Erlebnis unseres Sinnesorgans.

Zum Beispiel Textilien als Makrofotografie zu zeigen reicht nicht aus, um potenzielle Kunden glücklich zu machen. Diese wollen sehen, wie der Stoff fällt, wie er perlt, wie sich das Licht darin bricht und wie er aussieht, wenn er getragen wird. Das führt uns zurück zu den Daten, in diesem Falle entsprechende Fotografien. Der Mensch in einem direkten Verkaufsgespräch hat den Vorteil, Daten innert Millisekunden zu erfassen. Sie können also in einem Gespräch Zusammenhänge aus Anfragen erkennen und darauf Kombinationen erstellen, welche so eigentlich nicht vorgesehen waren. Sie können einen Stoff auf eine dunkle Unterlage legen oder gegen das Licht halten. Das geht online nicht. Eine digitale Plattform kann aber Tausende von Anfragen gleichzeitig erledigen, wird nie müde, bleibt immer nett, arbeitet 24/7 und liebt Fleissarbeit. 

Welche Rolle spielen das Internet der Dinge ­(Internet of Things, IoT) und künstliche Intelligenz (AI)?

Wir haben ganz neue Möglichkeiten mit dem IoT. Vollautomatische Nachbestellsysteme sind das einfachste Beispiel. Maschinen, die direkt mit anderen Maschinen kommunizieren, werden unsere Zukunft stark beeinflussen. Wir müssen und sollen uns nicht mehr darum kümmern müssen, ob unsere Lager aufgefüllt sind. Wir steuern nur noch, bis wann wir das Lager halten wollen. Doch auch dort schafft AI Abhilfe. Sie hilft uns, Zukunftsentscheide zu treffen. Um einen Lagerbestand zu beobachten, eignet sich eine Maschine deutlich besser als ein Mensch. Aber er ist besser darin, kreativ zu sein.

Was muss bei Mode insbesondere beachtet werden? 

Die Schnelligkeit der Konfektionen hat massiv zugenommen. Jedes neue Kleidungsstück, jedes Accessoire, das neu zur Kollektion hinzugefügt wird, muss erfasst werden. Dieser Prozess muss so effektiv wie möglich gestaltet werden. Fotos haben durch die digitalen Kanäle eine enorme Wichtigkeit erhalten. Jeder Schüler macht heute schon Modefotos in einer nie zuvor dagewesenen Qualität und teilt diese mit seinem direkten Umfeld, aber auch mit der ganzen Welt. Für einen Storebetreiber bedeutet das einen sehr hohen Qualitätsstandard. Kunden kaufen jederzeit von überall und über alle Kanäle. Loyalität bei austauschbaren Produkten ist gleich null. Doch das ist ein Phänomen, das nicht nur die Mode betrifft, dies gilt für alle Consumer Goods.

Kreativität ist gefragter den je. Ich sehe es als eine Chance für die Anbieter, die auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen wollen. Wir werden in der Zukunft viele disruptive Modelle antreffen. Gerade Ihre Branche ist ja auch für Kreativität bekannt – ich freue mich deshalb auf die tollen, neuen kreativen Ansätze der Zukunft.

Das Interview führte Christina Noli; der Text erschien erstmals in der Printausgabe der textilrevue 08/20 am 10. August 2020. Zur Originalpublikation

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